Netz-Veröffentlichung: Illusion „Sozialpartnerschaft“ – Die Kirche muss Opposition gegen Ausbeutung und „Partner“ für Schwache und Überflüssig-Gemachte sein

Koblenz/Paderborn, 1.6.2022.
Der Begriff ‚Sozialpartnerschaft‘ scheint eingängig. Gerne reden auch die Kirchen davon, z.B. in Aufrufen zu Wahlen zum Betriebsrat. Dagegen erheben die Autoren Herbert Böttcher und Ansgar Moenikes Einspruch. Statt die Wirklichkeit illusionär zu vernebeln, fordern sie die christlichen Kirchen zu prophetischem Handeln und zur Kritik des Kapitalismus auf.

Sie machen auf die zunehmende Prekarisierung der Arbeitsbedingungen aufmerksam und zeigen auf, dass sie im Zusammenhang der sich zuspitzenden Krise des globalen Kapitalismus verstanden werden müssen. In dieser Krise schwinden Spielräume für ‚partnerschaftliche‘ Regulierungen.

Statt an illusionär idealistische Vorstellungen von ‚Sozialpartnerschaft‘ festzuhalten, sollten die Kirchen zum einen an die Traditionen des prophetischen Protests gegen Unrecht und Gewalt anknüpfen. Darüber hinaus fordere die biblische Unterscheidung zwischen dem Gott der Befreiung und Götzen der Herrschaft die Kirche heute zur radikalen Kritik des Kapitalismus heraus. Er sei ein System, in dem das Leben dem abstrakten Zweck der Vermehrung von Kapital/Geld geopfert werde und das in der Krise mehr und mehr seine Dynamik der Zerstörung ausagiere.

Für die Kirchen komme es darauf an, Protest gegen prekäre Arbeitsbedingungen und Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen mit einer ungeschminkten Analyse der Verhältnisse zu verbinden. Damit werde deutlich, dass der Krisenkapitalismus auf Grenzen stoße, die er nicht mehr überwinden könne: die Unmöglichkeit, mit immer weniger Arbeit hinreichend Wert und Mehr-Wert zu generieren, sowie auf die ökologischen Grenzen, die in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum zulassen.

Ob die Kirchen sich auf einen solchen Weg einlassen? Die Autoren haben da ihre Zweifel. Sie sehen die Kirchen eher auf dem Weg, sich ‚unternehmerisch’ an die Verhältnisse anzupassen, um möglichst viele ‚KundInnen’ und ihre Nachfrage nach esoterisch Religiösem zu gewinnen. Eine so inhaltlich entleerte Kirche biete kaum Raum für Opposition an der Seite der ‚Überflüssig-Gemachten‘ und die so notwendige Systemkritik. Umso mehr müssten sich Verbände wie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und ökumenische Netzwerke dafür stark machen.

Der Text zur illusionären Sozialpartnerschaft kann hier herunter geladen werden.

Zu den Autoren:
Herbert Böttcher ist Pastoralreferent i.R., Vorsitzender des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar und des Vereins für kritische Gesellschaftswissenschaften „exit!“;
Ansgar Moenikes ist apl. Professor des Alten Testaments an der Theologischen Fakultät Paderborn und engagiertes Mitglied in der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung in Paderborn und auf Bundesebene. Beide sind Autoren zahlreicher Publikationen, hier genannt seien „Der sozial-egalitäre Impetus der Bibel Jesu“ (Moenikes) und „Auf dem Weg zur unternehmerischen Kirche“ (Böttcher).