Ein kleiner Einblick in die Ausbreitung messianischer Gemeinden (Apg 18,1-3)

Apg 18,1-3

1 Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. 2 Dort traf er einen aus Pontus stammenden Juden namens Aquila, der vor Kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau Priscilla. Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom verlassen müssten. Diesen beiden schloss er sich an, 3 und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort. Sie waren Zeltmacher von Beruf.

Hierauf verließ Paulus Athen… (V. 1)

Von Athen verlagert sich das Geschehen nach Korinth. Der griechische Text spricht wörtlich davon, dass Paulus von Athen abgesondert wurde. In Athen war er als ‚Sonderling‘ angesehen worden. Im hellenistischen Zusammenhang fand er keinen Anknüpfungspunkt für das, was er als Befreiung weiterzusagen hatte (Apg 17,32ff). In Korinth findet er zwei Menschen, die ebenfalls ‚abgesondert‘ worden waren: den Juden Aquila und seine Frau Priscilla. ‚Abgesondert‘ waren sie durch den Erlass des Kaisers Claudius von Rom. Mit diesem Erlass – so berichtet der römische Schriftsteller Sueton – wurden Juden aus Rom vertrieben, weil es durch die Anstiftung durch einen ‚Chrestos‘ zu Tumulten gekommen war1. Anzunehmen ist, dass das Auftreten von Messianern in Synagogen dazu den Anlass gaben. Der ‚Friede‘ in der Bevölkerung schien gefährdet. Die Behörden witterten Gruppen, die im Verdacht standen, einen Aufstand zu entfachen. Bei der Anordnung, Juden auszuweisen, dürfte der Erlass nicht zwischen einzelnen jüdischen Gruppierungen, zu denen auch die Jesusbewegung zählte, unterschieden haben. Der Eindruck war: Bei ‚den‘ Juden gibt es Unruhen. Und dagegen wurde mit Vertreibung vorgegangen. Über diese Vertreibungen waren auch Aquila und Priscilla nach Korinth gekommen.

Diesen beiden „schloss“ Paulus „sich an“ (V. 2)

Diese Bemerkung dürfte einen Einblick in die Ausbreitung der messianischen Bewegung geben. Paulus begegnet uns hier nicht als der Gemeinden gründende Einzelkämpfer und ihr Leiter. Er schließt sich Menschen an, die bereits aus messianischen Gemeinden kamen und nun dazu beitragen wollten, dass die messianische Bewegung auch in Korinth Fuß fassen konnte. Von Aquila und Priscilla heißt es in 18,25f, dass sie Paulus später in der Synagoge von Ephesus hörten, ihn zu sich nahmen und „ihm das Wort Gottes noch genauer“ (18,26) darlegten. Paulus ist also einer, der von Aquila und Priscilla aufgenommen wird und von ihnen lernt. Am Ende des Ersten Briefs an die Korinther grüßt Paulus auch von Aquila und Prisca (der von Lukas verwendete Name Pirscilla ist eine Verkleinerungsform von Prisca) und „ihre(r) Hausgemeinde“ (1 Kor 16,19). Am Ende des Römerbriefs lässt Paulus sie in Rom grüßen als seine „Mitarbeiter in Jesus Christus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben“ (Röm 16,3f). Und auch hier soll „die Gemeinde, die in ihrem Haus versammelt“ (Röm 16,5) ist, gegrüßt werden.

Solche Hausgemeinden hat nicht Paulus gegründet. Er hat sie vorgefunden. Wir können davon ausgehen, dass Aquila und Prisca auch für die Leitung dieser Gemeinde verantwortlich waren. Dies gilt vor allem für Prisca bzw. Priscilla, weil im griechisch-römischen Bereich „das Haus als Bereich der Frau angesehen wurde und Frauen von der Leitung des Hauses nicht ausgeschlossen waren“2. Dies schließt die Leitung des Gottesdienstes, speziell die Feier des Herrenmahles ein.

„… und da sie das gleiche Handwerk betrieben“ (V. 3)

Beide betrieben also „das gleiche Handwerk“. Sie waren nämlich „Zeltmacher“. Da Zelte aus Leder gefertigt wurden, fällt unter diese Tätigkeit das anstrengende Zuschneiden und Zusammennähen von Lederstücken. Paulus verweist in 1 Kor 4,12 auf die Härte, die damit verbunden ist. Er nimmt sie auf sich, um niemandem in der Gemeinde zur Last zu fallen. Dies ist ein Hinweis auf eine andere ‚Missionsstrategie‘ gegenüber der, die in der Logienquelle sichtbar wird. Nach dieser sollen die Boten des Evangeliums nichts mitnehmen – „nicht Gold, Silber noch Kupfermünzen…, keine Vorratstasche…, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet ist seines Lohnes wert“ (Mt 10,5ff). Vorausgesetzt ist also, dass die Boten des Reiches Gottes von den Gemeinden versorgt werden. Paulus sieht darin die Gefahr, den Gemeinden zur Last zu fallen und – wie es bei Wanderpropheten durchaus vorkam – den Adressaten nach dem Mund zu reden. Demgegenüber betont Paulus seine Unabhängigkeit und will damit zugleich die Glaubwürdigkeit seiner Botschaft unterstreichen.

Herbert Böttcher

1Bei Sueton (Claudius 25,4) heißt es: „Iudaeos impulsore chresto assidue tumultantis Roma expulit.“ Übersetzt: Er (der Kaiser) vertrieb Juden aus Rom, die von einem Chrestus (gemeint Christus) aufgewiegelt worden waren und Unruhen entfacht hatten.

2Elisabeth Schüssler Fiorenza, Zu ihrem Gedächtnis… Eine feministische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München/Mainz 1988, 225.