Zur Verabschiedung von Pfr. Ingo Schrooten

Ingo Schrooten, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Maifeld und seit über 20 Jahre Beisitzer im Netz-Vorstand, wurde gestern, am 26.5.24 in den Ruhstand verabschiedet. Neben zahlreichen Gruppen, Vereinen und Projekten gehörte auch das Netz zu seinem Tätigkeitsbereich, wofür Vorstand und Geschäftsführung sehr dankbar waren und dies gestern in folgende Worte fassten:

Lieber Ingo,

im Vorstand des Ökumenischen Netzes bist Du ungefähr genau so lang wie Du hier in der Gemeinde tätig warst – glücklicherweise dürfen wir Dich noch mindestens zwei Jahre weiter im Vorstand bei uns haben. Auch wenn es sich daher nur so halb wie ein Abschied anfühlt, ist dies eine gute Gelegenheit, Danke zu sagen: Danke für Dein Engagement beim Netz! Du hast Dich vor allem inhaltlich in unsere Diskussionen eingebracht. Dabei haben gerade Deine Bibelkenntnisse immer wieder zu spannenden Diskussionen bei unseren Treffen und Versammlungen geführt. In einer Gesellschaft, die dem Götzen dient, Kapital um seiner selbst willen zu vermehren, kommt auch die gesellschaftliche und theologische Kritik dieses Götzen leider nicht ohne Geld aus. Daher gilt unser Dank auch dafür, dass Du Dich zugleich für die finanziellen Grundlagen des Netzes engagiert hast. Das war umso wichtiger als Mitglieder und Geldgeber wegen inhaltlicher Kontroversen absprangen oder weil sie selbst finanzielle Einbußen zu verkraften hatten. In Zeiten starker finanzieller Einbrüche haben Du und die Gemeinde Maifeld uns immer die Stange gehalten, das ist gerade aufgrund der Pointiertheit und Radikalität unserer Positionierungen nicht selbstverständlich!

In den letzten 15 Jahren haben wir alle zusammen im Vorstand und hoffentlich auch darüber hinaus, einiges dazu gelernt: Theologisch und biblisch haben wir immer wieder um nicht immer eindeutige Textpassagen der großen jüdisch-christlichen Befreiungstradition gerungen; und gesellschaftsanalytisch haben wir gelernt, dass es nicht nur um die Art der Produktion von Waren und der mit ihr verbundenen politisch-rechtlichen Regulierungen im Kapitalismus geht, sondern auch um die Reproduktion, um die sog. Sorgetätigkeiten, die weiterhin meistens von Frauen erledigt werden. Feminismus ist also kein Nebenthema, sondern gehört zu den Grundlagen unserer Kritik der kapitalistischen Götzenverhältnisse.

Das Gelernte haben wir immer wieder neu formuliert und zugleich in kürzeren Stellungnahmen zu aktuellen Themen versucht ins öffentliche Gespräch zu bringen. Du hast diese Papiere immer mitgetragen. Die dabei verhandelten Themen Asyl, Migration und ihre rassistische Abwehr, Antisemitismus, auch und gerade gegenüber Israel, Sozialdarwinismus nicht nur im Zusammenhang mit Corona, ökologische Verwüstungen oder die vielen weltweiten Kriege werden uns leider auch in Zukunft nicht so schnell abhanden kommen. Obwohl wir lieber nicht ‚recht hätten‘, haben sich unsere Analysen des Zerfalls der kapitalistischen Weltgesellschaft samt der sich dabei entfesselnden Vernichtungspotentiale von Menschen und der natürlichen Lebensgrundlagen leider bestätigt. Umso wichtiger ist es deutlich zu machen, dass wir – wie die ökumenische Bewegung es einmal formuliert hat – einen pfingstlichen Bruch mit „Geist und Logik“ des Kapitalismus brauchen, wenn der Globus nicht noch mehr in die Barbarei treiben soll.

Dieser barbarische Abgrund darf aber ‚um Gottes Willen’ nicht sein. Daher müsste die Weltlage, also das, was Menschen und die Schöpfung erleiden, auch unseren Kirchen mehr zu denken geben – statt unternehmerisch auf Kundenfang zu gehen und sich an die gesellschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Dass die Kirche im Kreisen um sich selbst die Problemfelder Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung nicht ganz aus dem Blick verliert, dafür hast Du Dich in und mit der Gemeinde hier auf dem Maifeld eingesetzt. Damit hast Du mitgebaut an einer Kirche, die sich ganz im Sinne des Gottesnamens für Wege der Befreiung in Dienst nehmen lässt. Auch dafür gilt Dir unser herzlicher Dank.

Polch, 26.5.24

Dominic Kloos für Vorstand und Geschäftsführung