Impuls zur Bewahrung der Schöpfung – theologischer Kurzbeitrag zum Seminar vom 27.2.21

In Gen 2,15 heißt es, dass Gott den Menschen in den Garten Eden setzte und ihm den Auftrag gab, ihn zu bebauen und zu hüten. Das können wir heute als Impuls verstehen, dass die Menschheit ihre natürlichen Lebensgrundlagen schützen und keinen Raubbau an der Schöpfung betreiben soll. Wir sollen die Natur mitgestalten, ihr auch gewissermaßen Grenzen setzen, wo sie menschliches Leben bedrohen kann, und gleichzeitig ihren Eigenwert anerkennen, wie es nicht zuletzt Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato Si“ stark gemacht hat. Das Kultivieren der Um- und Mitwelt beinhaltet dabei ein Hinter-sich-zurück-treten des Menschen in der Anerkennung des Zusammenlebens mit der Natur. Gleichzeitig tritt er – wie im Kult deutlich wird – über sich hinaus, indem er eine Transzendenz anerkennt, die über die geschöpfliche Wirklichkeit und das eigene Handeln hinausweist. Nach jüdisch-christlicher Tradition verweist sie auf einen personalen Gott. Der Mensch ist also von der Erde genommen und gehört zur Erde. Zugleich ist er auf Transzendieren hin geöffnet: auf andere Menschen, auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, auf Gott.

Der Name Gottes, der dem Mose geoffenbart wird und mit dem er gesandt ist sein versklavtes Volk aus der Herrschaft Ägyptens zu befreien, ist gewissermaßen der rote Faden durch die beiden Testamente der Bibel. Mit diesem Namen ist der Schrei nach Befreiung, die Erinnerung an geschehene Befreiung und die Hoffnung auf endgültige Befreiung aus Unrecht und Gewalt, aus Leid und Tod verbunden. Befreiungserfahrung und -hoffnung wird im ersten Schöpfungsbericht (Gen 1-2,4a), der jüngeren Datums als der zweite (Gen 2,4b-25) ist, in einer Situation aktualisiert, in der Israel sich am Ende des babylonischen Exils befindet. Aus seiner Befreiungserfahrung heraus erkennt es, dass der Gott der Befreiung Schöpfer der Welt ist – und nicht die babylonischen, mythischen,sich in den Gestirnen darstellenden Gottheiten.

ER hat in seiner Schöpfung den Menschen zum Mit-Schaffenden gemacht und ihm den sog. Herrschaftsauftrag gegeben (Gen 1,28:„unterwerft“). Dieser ist realgeschichtlich zum Problem geworden, indem er als anthropozentrische Herrschaft ohne Relation zu den natürlichen Grundlagen verstanden wurde. Die Übersetzung ist hier leider eines der Hauptprobleme: Die hebräischen Verben für herrschen (radah und kavash) bedeuten zunächst einmal „sich kümmern“ und ganz wörtlich auch „treten“. Es gibt archäologische Funde, in denen Rinder unter dem Fuß eines Menschen dargestellt sind, der mit einer Waffe ausgestattet angreifende Wildtiere wie Löwen abwehrt. Das macht deutlich, dass es nicht um einen Herrschaftsauftrag im Sinne einer absolutistischen Königsideologie geht, sondern um Schutz und Pflege der für den Menschen notwendigen Umgebung. Der Mensch wird zudem beauftragt als ‚Ebenbild Gottes‘ zu ‚herrschen‘. Gottes Herrschaft aber beinhaltetdie Negation, die Ablehnung menschlicher Herrschafts- und Gewaltsysteme. In diesem Sinn steht der Mensch im Dienst der Befreiung – und zwar im Bezug auf jedwede Herrschaft, ob über die Natur oder auch die von Männern über Frauen, denn als Mann und Frau sind Menschen geschaffen (Gen 1,27), sodass keiner patriarchalischen Herrschaft das Wort geredet werden kann.

Höhepunkt des ersten Schöpfungsberichts ist nicht die Schöpfung des Menschen, sondern der Sabbat. Der Sabbat ist zugleich eine Verheißung. Die Erinnerung an die Befreiung und die Unterbrechung der Tätigkeiten verweisen auf eine Vollendung, die Wirklichkeit werden soll in einer neuen Schöpfung, in einem neuen Himmel und einer neuen Erde, deren Vorgeschmack Israels neuer Exodus, die Befreiung aus Babylon sein sollte. Der Sabbat als heiliger Tag der Vollendung und Ruhe für die ganze Schöpfung (Gen 2,2-3) bekam seine Bedeutung nämlich erst in Babylon: Er wurde sozusagen zu einem Identitätsmerkmal Israels, zu einer Art zeitlichen Tempels für den vom babylonischen Heer zerstörten Tempel und das in einer Zeit, in der sich Israel von Gott verlassen fühlte, wenn auch nur „für eine kleine Weile“ (Jes 54,7). Insofern steht der Sabbat und in seiner Tradition unser heutiger Sonntag auch für Herrschaftskritik, d.h. für die Treue zum einzigen Herrn, zum Herrn und Gott Israels – und für Christ_innen zu seinem Messias Jesus von Nazaret. Die Orientierung auf Israels Gott und seinen Messias schließt eine Absage ein, nämlich die Absage an die Herrschaft des Königtums in Israel, die babylonische Herrschaft, die Herrschaft des römischen Imperiums und alle weiteren götzendienenden Herrschaften – bis in die heutige Zeit zum kapitalistischen Fetischzusammenhang mit seinen menschheitsgeschichtlich ungekannten Dimensionen sozialer und ökologischer Zerstörungen.

Der Sabbat kann als eine Verbindung von göttlicher und irdischer Welt, als Heiligtum Israels innerhalb der Schöpfung und Zeichen der Gottesnähe sowie dankbares Staunen über Gottes befreiende Treue in Zeiten des Sich-verlassen-fühlens verstanden werden. So sollten auch wir die Orientierung auf Gott als anti-herrschaftliche Orientierung verstehen im Bezug auf die belebte und unbelebte Natur, als Relativierung der menschlichen Möglichkeiten, als Unterbrechung vermeintlich immerwährenden Wachstums und die Öffnung auf einen Horizont der Befreiung des Menschen und der Natur vom Götzen Kapital, als Öffnung für neue Wege der Befreiung bis hin zur Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Dominic Kloos